Verzauberung jenseits aller Klischees

Ist das menschliche Ohr in Punkto Rockmusik überwiegend auf gängige instrumentelle Konstellationen wie Bass Gitarre Schlagzeug und Gesang als typisches Equipment einer solchen Band fixiert, bleibt das unglaubliche Potential so manch anderer Klankörper, mit denen dieselbe Musik erzeugt wird, vollkommen unentdeckt im Verborgenen.

Wer beispielsweise beim Stichwort Cello ausschließlich an klassische Streicheleinheiten denkt, dem beweist das finnische Quartett Apocalyptica mit ihrem neusten Studioalbum „Worlds Collide“ (GUN /SONY BMG, 2007), das weder ihnen noch ihren musikalischen Werkzeugen nach elf Jahren ehrgeizigen Schaffens die Kreativität noch lange nicht flöten gegangen ist.

Waren Vorgängeralben wie „Cult“ und „Apocalyptica“ entweder überwiegend von unendlich kraftvoller Melancholie bzw. treibenden Rocklängen dominiert, ist „Worlds Collide“ eine durchweg umwerfende Mischung aus beidem. Es vereint alles, was eine musikalisch – emotionale Achterbahnfahrt zwischen Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ausmacht. Und dies beachtlicherweise wieder einmal fast ohne Worte.

Ob aggressiv, elegisch, dezent – leise, zärtlich – kreischend, verführerisch, verzweifelt, wütend, flehend, kraftvoll, melancholisch, hektisch, spannungsvoll langsam oder schlicht schön traurig, mit drei Cellos und einem Schlagzeug schaffen Apocalyptica es wieder einmal problemlos, das gesamte Equipment einer gestandenen Rockband mit allen Facetten zu ersetzen und so ganz neue Eindrücke instrumentaler Musik zu vermitteln.

Veredelt wird diese akustische Schablone darüber hinaus mit ausgefeilten klassischen Arrangements, die klar machen, dass bei den Musikern nach wie vor die Vielseitigkeit instrumentaler Melodien die erste Geige spielt. Die Lehrjahre als Mitglieder einer Celloband, die von Johann Sebastian Bach bis Jimi Hendrix alles akribisch nachgespielte, was ihr unter die Saiten kam, haben sich also abermals bezahlt gemacht.

Wie sehr das auch auf Apocalypticas jüngsten Streich zutrifft, beweist schon der gleichnamige Opener. Schleicht „Worlds Collide“ zunächst wie eine geduldig wartende, schwarze Raubkatze mit heißhungrig funkelnden Augen auf Samtpfoten heran, springt der Song den Hörer plötzlich wie aus dem Hinterhalt an, um ihn mit voller Wucht zu attackieren, mitzureißen und nicht mehr los zu lassen

Dieser Zustand dauert, mit kurzen Verschnaufpausen, das gesamte Album über an, ohne dabei jedoch anstrengend zu wirken. Vielmehr kann man sich vollends und schier bodenlos in die gerade suggerierten musikalischen Stimmungen fallen lassen. Virtuosität mit Höchstmaß, die nicht nur Klassik und Metal Fans in ehrfürchtiges Staunen versetzen dürfte.

Einmal oder nur nebenbei hinhören reicht nicht aus, um das Album in seiner ganzen Komplexität und Raffinesse voll erfassen zu können. Bei jedem Hören lassen sich neue klangliche Details entdecken, weshalb man an jeder einzelnen Komposition wie am Gesamtwerk lange Freude haben wird.

Genauso wie die wortlosen Arrangements tragen dazu abermals die gefeaturten Gastvokalisten wie Slkipknots Corey Taylor („I’m not Jesus“), Till Lindemann von Rammstein, (Die deutschsprachige Version des David Bowie Klassikers „Heroes“ ist ein besonderes Highlight), Lacuna Coils Cristina Scabbia („SOS“) und Three Days Grace Sänger Adam Gontier („I don’t care“), mit ihrer ganz persönlichen Gesangsnote und individueller Vielseitigkeit bei.

Hinter den Reglern hat für „Worlds Collide“ mit Rammstein Soundtüftler Jacob Hellner auch Produzenten – Prominenz Platz genommen. Deshalb klingen einige Songs zwar mehr oder weniger nach Rammsteinscher Etikette(„Greace“, „Helden“, „Stroke“, „Burn“, „Last Hope“), dennoch büßen Apocalyptica kein Stück ihrer musikalischen Einzigartigkeit ein. Im Gegenteil: Sie bleiben ihrem Erfolgsrezept treu, um damit einen überraschenden Sprung nach vorne zu machen, ohne dabei nach Luft zu ringen, geschweige denn überhaupt in Atemnot zu geraten.

„Wir haben versucht, ein Weltklassealbum abzuliefern. Es ist eine aufregende Zeit für uns. Es haben großartige Leute für uns gearbeitet und ich bin absolut begeistert. Damit sollten wir in der Lage sein, all die Leute aufzuwecken, die Apocalyptica zwar kannten, aber zuvor nie ein Konzertticket oder Album gekauft hätten.“, resümiert Eicca Toppinen über die Arbeit an „Worlds Colide.“

Fazit: Elf Songs, die jeder für sich und insgesamt, zeigen, wie fantastisch der mitunter
so problematische Spagat zwischen zwei musikalischen Welten funktionieren kann, machen „Worlds Collide“ definitiv zu einem Anwärter auf das Metal Album 2007. Diese Mühe verdient die Höchstwertung von fünf goldenen Cellobögen für viel Liebe zum musikalischen Detail und Kreativität.

Verlosung: Gewinnt 3 x die neuste Single „I’m not Jesus“ mit Corey Taylor (Slipknot/Stone Sour). Details im Gewinnspiel – Forum.

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