So war der Samstag

Regen. Immer wieder Regen. Jetzt am Morgen sieht das ja alles gar nicht mal schlimm aus, aber noch vor wenigen Stunden war das anders. Das Melt! erlebt 2008 seine große Matschpremiere und hat sich somit auch das letzte heimliche Festivalkriterium erfüllt. Nur so richtig freuen kann sich hier keiner darüber und daran Schuld hat man schon gar nicht. Kurze, fiese und starke Platzregen brechen alle paar Stunden spontan über das Gelände nieder und sorgen für unangenehme Seen abseits der Asphaltwege. Manchmal ist der Regen auch für kuriose Szenen verantwortlich: Beim Auftritt der Briten von Friendly Fires wird am Ende des ersten Songs der Band der Strom abgestellt; es begann wieder zu stürmen. Von der Bühne der überdachten Gemini Stage forderten die Veranstalter aber die Menschen auf, das Zelt zu verlassen; raus in den Regen also. Dieser Aufforderung verweigterten sich die Angesprochenen aber konsequent und wurden mit Bier aus dem Backstage der Friendly Fires belohnt.
Musik gab es gestern übrigens auch: Nachdem die besagte Band eigenhändig Freigetränke verteilt hatte, trat sie zum zweiten Mal an und fegte durch ein furioses, 40-minütiges Dancepunkset. Zuvor konnten bereits die unausprechlichen Fuijya & Miyagi (Achtung: keine japanische Band) am selben Ort überzeugen. Die folgenden Operator Please aus Australien ließen sich nicht anmerken, dass sie im Durchschnitt wohl jünger waren als die meisten anwesenden Zuschauer und spielte routiniert ein kurzweiliges aber eintöniges Indiepopset herunter, welches aber auch begeistert von den vornehmlich jungen Zuhörerinnen aufgenommen wurde.
Auf der Hauptbühne war am Samstag musikalische Vielfalt angesagt: deutscher Pop von Peter Licht, deutscher und britischer Rock’n’Roll von Superpunk und Twisted Wheel, Oldschool-Hip-Hop von den Stereo MCs, Superstarfieber á la Franz Ferdinand und Róisín Murphy und zu guter letzt Drum’n’Bass von Goldie vs. Doc Scott feat. MC Kemo. Alle überzeugten, dem Wetter zum Trotz. Den Stereo MCs merkte man überhaupt nicht an, dass sie die dienstälteste britische Hip-Hop Band sind und auch die Songs vom neuen Album erreichten weite Zuhörerschichten. Franz Ferdinand boten insgesamt sechs neue Songs in ihrem anderthalb Stunden langen Set und die hatten es in sich: Electronische Flächen aus dem Keyboard trafen minimalischten Postpunk und ungezügelten Funk. Der Rest war ein Best-Of-Programm durch die letzten zwei Alben. Einzig allein bei „40 feets“ und „Come On Home“ – den letzten Songs des unbetitelten Debüts – flaute die Stimmung ein wenig ab und hinterließ die Erkenntnis: Auch Franz Ferdinand haben nicht nur Überhits im Gepäck.
Róisín Murphy trat mit einer bombastischen Show inklusive permanenten Kostümwechsel auf und gab sich zuerst unnahbar, später ganz offen und freundlich. Band und Konzept passten genauso eng zusammen wie Miss Murphy der weiße Body, den sie als einziges Oberteil trug. Ihre Musik bot dann aber noch genug Ablenkung von ihren optischen Reizen. Die Ex-Moloko-Frontfrau konnte es sich sogar erlauben große Hits wie „Ramalama Bang Bang“ nicht zu integrieren ohne einen merklichen Verdruss zu hinterlassen.
Neben all diesen tollen Konzerten gab es natürlich noch weitere interessante dieser Art: Navel rockten als angehende Erben von Nirvana den Melt!Klub, Rummelsnuff verblüffte zuerst akkustisch, dann voll elektronisch mit seinem Bodybuilder-Elektropop. Coublestone Jazz zeigten visionär wie man Techno als Jazz begreifen und umsetzen kann. Gegen 3 Uhr traten dann die amerikanische Newcomerin Uffie und die Eurodance-Combo Technotronic zu den Beats von Feadz gegeneinander an, was zu gemischten Gefühlen führten. Von wilden Tanzorgien bishin zu geworfenen Bierbechern gerade bei den Eurodancer. Deren Zeit schon wohl doch vorbei.
Gerade ist ein wenig windig aber freudig blickt man hier den Los Campesinos!, Neon Neon, Get Well Soon, Battles und den Melt!-Königen Hot Chip entgegen. Alles auf der Converse Main Stage, alles am Stück. Daneben gibt es nur noch DJing vor der Gemini Stage. Tja und dann, dann kommt er: Der Auftritt des Jahres. Das Konzert, das aus dem Melt! ein Dreitages-Festival gemacht hat: Björk. Die isländliche Fee oder Ikone gibt ihr wohl einziges Deutschland-Konzert auf lange Zeit und versetzt hier alles in hektische Betriebsamkeit. Großes steht bevor.





Ein Samstag auf dem Melt!: Die verregnete Tribüne, dem Regen trotzende Friendly Fires (2), Operator Please mit Klassik und Girly-Power
Fotos: Christoph Paul/aufgemischt!com

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